Künstliche Weihnachtsbäume

Wann der erste künstliche Weihnachtsbaum in Europa produziert und verkauft wurde, ist leider unbekannt. Die mir bis jetzt früheste bekannte Fundstelle stammt aus dem Jahr 1852.[i] Darin wird berichtet, dass die in Paris ansässigen Deutschen und einige wohlhabenden französischen Familien für den Neujahrstag kleine künstliche Weihnachtsbäume kauften.[ii] Neujahr spielte damals in Frankreich die gleiche Rolle wie Weihnachten in Deutschland. Geschenkt wurden der Familie oder der Dame des Hauses Bonbons oder Schokolade in „niedlichen Kästchen oder Schachteln“. Der Autor des Berichts schreibt so, als sei es allgemein bekannt, dass es künstliche Weihnachtsbäume gab. Eine andere Quelle aus dem Jahr 1853 berichtet von „aus Papier gemachten Tannenbäumen“.[iii]

Für die Herstellung und den Kauf von künstlichen Weihnachtsbäumen gab es vornehmlich zwei Gründe. Zum einen von behördlicher Seite, die eine alljährliche Waldverwüstung durch die Abholzung der Weihnachtsbäume befürchtete und sich Abhilfe wünschte. Zum anderen vonseiten der Käufer, die sich dadurch den alljährlichen Kauf eines teuren Baumes ersparen konnten. Allerdings fand ein künstlicher Weihnachtsbaum auch entschiedene Gegner. So unter anderem in den Kreisen der ‚strengen‘ deutschen Weihnachtsliebhaber. In ihren Augen war ein künstlicher Baum eine Beleidigung der urdeutschen Weihnachtstradition.

Diejenigen, die sich davon nicht abschrecken ließen, hatten anfänglich einen entscheidenden Nachteil zu akzeptieren. Es war die Größe der ersten künstlichen Weihnachtsbäume. Sie waren meist von kleiner Statur. Dieses Manko wurde aber schnell behoben. Bereits 1859 wurden künstliche Weihnachtsbäume bis zu einer Höhe von 4 Metern angeboten.[iv]

Der Vorteil bei all den künstlichen Weihnachtbäumen war damals wie heute, sie nadelten nicht, waren platzsparend aufzubewahren (da die Äste biegbar waren) und man konnte sie Jahr für Jahr wiederverwenden. Allerdings verlieren ältere Gansfederbäume auch schon mal gerne ein paar Federn.

Die Zutaten für einen Gansfederbaum waren ein senkrechter (Holz-)Stab, grün gefärbte Gänsefedern (teilweise auch Pfauen- oder Truthahnfedern) und Draht. Die Federn wurden grün eingefärbt, wobei die nassen Federn zusammenklebten und beim Trocknen mit Tannennadeln Ähnlichkeit bekamen. Die Federn wurden mithilfe von dünnen Drähten um einen stabileren Draht gewickelt. Die so geschaffenen Verbindungen wurden zu Zweigen geformt und stufenförmig am Stab befestigt. Die ‚Äste‘ hatten zum Abschluss kleine rote Beeren, die aus Masse geformt wurden. (Österreichische Varianten haben manchmal auch kleine Kerzen, die aus Papier nachgebildet wurden.) Das Bestreben der Hersteller war es, die kleinen Bäume möglichst echt aussehen zu lassen.

Auf youtube findet sich hierzu ein Video: Ein Gansfederbaum der Extraklasse

Eine Besonderheit muss an dieser Stelle noch angesprochen werden: Es gibt Miniatur-Weihnachtsbäume, die unter anderem bei den verschiedenen Weihnachtsmännern, Belsnickeln und Knecht Ruprecht-Varianten als Dekorationsmittel beigefügt wurden. Bei den ganz frühen, im thüringischen Sonneberg gefertigten Exemplaren wurde der Nadelersatz aus Entenfedern oder Moos gefertigt. Die Astenden wurden dabei teilweise nach oben gebogen und weiß angemalt, um den Eindruck von Kerzen zu erzeugen. Solche Exemplare, die meist nur in einer Metallhülse steckten, gingen leider sehr leicht verloren, warum sie heute nur noch extrem selten zu finden sind.

Welch kuriose Besonderheiten es auf dem Gebiet der künstlichen Weihnachtsbäume noch gab, zeigt ein Beispiel aus Wien aus dem Jahr 1859:

In einem reichen Hause wurde der natürliche Tannenbaum für zu schwach befunden, um die schweren Gaben alle zu tragen; die kleinen brennenden Wachskerzen flammten den Glanzliebenden zu matt – und so konstruierte man einen Baum aus Gasröhren, umwand ihn mit Tannenreisig, hängte die reichen Geschenke darauf, und die ganze Herrlichkeit wurde von 500 Gasflammen magisch erleuchtet.“[v]

Im Jahr 1887 war man sich der Dekorationswirkung von kleinen Gansfederbäumchen wohl bewusst. In einem Beitrag für die Zeitschrift Fürs Haus findet sich ein Hinweis, wie die Bäumchen als Tischschmuck Verwendung finden können:

Findet das Essen abends statt, so kann die Beleuchtung eigenartig gestaltet werden. Man stelle neben jedes Gedeck ein Federtannenbäumchen, wie man sie auf dem Weihnachtsmarkte zu kaufen bekommt, und zünde die Lichterchen darauf an. Es sieht reizend aus.“[vi]

Durch ihre Größe sowie ihr geringes Gewicht konnten künstliche Weihnachtsbäumchen während des Ersten und Zweiten Weltkrieges ideal per Feldpost als Geschenk an die Front geschickt werden, um den Soldaten zumindest ein wenig heimatliche Weihnachtsstimmung zu vermitteln.

Die steigende Nachfrage nach den Gansfederbäumen führte nach dem Ersten Weltkrieg dazu, dass aufgrund fehlender Federn nicht mehr alle Bestellungen erfüllt werden konnten. Die Hersteller kamen daher auf die Idee, die ‚Tannennadeln‘ aus dünnen eingeschnittenen, grünen Papierstreifen oder Chenille herzustellen. Wie schon bei den Gansfederbäumen wurden das Material um die Drähte gewickelt und zu Ästen geformt. Noch später im 20. Jahrhundert wurden die Papierstreifen durch grüne Plastikstreifen ersetzt.

Im Dezember 1942 ließ Hermann Göring ein paar Dutzend kleine künstliche Weihnachtsbäume durch die Luftwaffe zu den 200.000 eingekesselten Soldaten nach Stalingrad bringen. Die kleinen Tannen waren fertig geschmückt und mit Lametta, goldenen Sternen und Glöckchen verziert. Weihnachtliche Stimmung dürfte trotzdem nicht aufgekommen sein.[vii]

In den späten 1950er-Jahren kamen in Amerika künstliche Plastikweihnachtsbäume (ab 1956) und Aluminium-Weihnachtsbäume (ab 1958) auf den Markt. Aluminium-Weihnachtsbäume konnten sich auf Dauer nicht durchsetzen.

Heutzutage gibt es keine Einschränkungen mehr, wie ein Weihnachtsbaum auszusehen hat. Natürlich findet man noch zahlreiche traditionelle Bäume, aber ein Blick ins Internet verdeutlicht, aus was alles Weihnachtsbäumen fantasiereich gefertigt werden. Abseits traditioneller Vorgaben bestehen Weihnachtsbäume heutzutage aus Treibholz, Stoff, Plastikkisten, Metall, Glas und noch vielem mehr.

[i] In der Illustrierten Zeitung aus Leipzig findet sich in der Ausgabe vom 26. Dezember 1846 (S. 182) eine Stelle, in der von einem „Weihnachtsbäumchen mit kleinen Wachslichtern besteckt“ die Rede ist, das man auf dem Weihnachtsmarkt für zwei Groschen (24 Pfenning) kaufen konnte. Es geht aus dem Text leider nicht hervor, ob es ein künstliches Bäumchen oder ein kleines echtes Tannenbäumchen war.

[ii] Siehe dazu: Deutsche Allgemeine Zeitung, Leipzig 1852, Nr. 457 (Freitag, den 31. Dezember).

[iii] Siehe dazu: Deutsche Vierteljahrs Schrift, zweites Heft, Stuttgart und Tübingen 1853, S. 316.

[iv] Siehe: Miszellen; in: Die Neue Zeit. Olmüzer Zeitung, XII. Jg. (1859), Nr. 1 (1. Jänner).

[v] Miszellen; in: Die Neue Zeit. Olmüzer Zeitung, XII. Jg. (1859), Nr. 1 (1. Jänner).

[vi] Leserbrief von F. M zu Dresden: Ausschmückung einer Weihnachtstafel; in: Fürs Haus. Praktisches Wochenblatt für alle Hausfrauen, Nr. 271 (10. Dezember 1887), VI. Jg. (1887/88), S. 85.

[vii] Ein Exemplar befindet sich im Militärhistorischen Museum der Bundeswehr in Dresden.